Der Zirkus ist ein sehr vielfältiges Thema und spricht somit alle Kinder an. Es gibt dort zarte Tänzerinnen, brüllende Löwen und lustige Clowns, Akrobaten, die die Kinder noch nie gesehen haben, aber auch für jeden etwas, was er kennt, sei es Musik, Einräder, Pferde oder ähnliches. Auch die Art, als Zirkusartist zu leben, kann ein interessantes Thema darstellen.

Musikalisch kann man das Thema Zirkus sehr vielfältig und fantasievoll einsetzen, und mit Leichtigkeit einen Schwerpunkt auch auf die Bewegung setzen. Für Kinder jeden Alters können mit „Kunststücken“ Herausforderungen verschiedenster Art geschaffen werden und der Kontext motiviert, etwas zu üben oder zu trainieren, was einige Wiederholungen rechtfertigt.

Für größere Projekte kann die Entwicklung von Kunststücken – je nach Wunsch der Kinder solistisch oder in Kleingruppen – den Fertigkeiten der Kinder angepasst und in der Gruppe differenziert werden. Jeder kann sich auf die Art zeigen, wie er möchte. Wenn alle Kinder alle Kunststücke mitmachen, so kann es schwerere und leichtere geben, sodass jedem Kind Erfolgsgefühle gegönnt seien. Auch die Aktivitäten hinter der Bühne sind wichtig und können Kindern übertragen werden. Ob nun das Planen des Ablaufs oder das basteln der Kostüme. Das kann in einer Kinderstunde auch derjenige sein, der am Beginn der „Vorstellung“ den Lichtschalter im Raum bedient.

Ich habe für eine Stunde mit Vorschulkindern eine Stimmbildungsgeschichte geschrieben. Das ist eine Geschichte, in der bestimmte Stimmbildungsübungen (oder Einsingübungen), die Erwachsene zum Beispiel in Chören ganz langweilig vor der Probe machen, in erzählte Situationen eingebunden werden. Zunächst haben wir uns das Bild angeguckt, dass ich selbst gemalt habe, damit alle Momente der Geschichte auch wirklich vorhanden sind. Wimmelbilder sind eine tolle Idee, weil sie zum Sprechen anregen und jeder etwas als Erster entdecken kann. Elemente wie das Flugzeug gehören zwar nicht direkt zum Zirkus, begeistern die Kinder jedoch ebenso und machen das Bild einfach noch interessanter.

Tatjana gehört zum Zirkus. Sie wohnt mit ihren Eltern und den anderen Zirkusakrobaten in Wohnwagen rund um das große, bunte Zirkuszelt. Ihre Mutter ist Akrobatin und turnt hoch oben in der Luft an den Seilen und ihr Vater passt auf die wilden Tiere auf. Jeden Tag füttert er die Löwen und die Elefanten und führt sie zu den Vorstellungen ins Zelt. Ausnahmsweise durfte Tatjana den Löwen auch schon einmal füttern.

Heute ist wieder eine Vorstellung. Tatjana sitzt in ihrem Wohnwagen und beobachtet das bunte Treiben. Die ersten Gäste kommen schon von vorne in das Zirkuszelt. Hinter dem Zelt und für die Besucher unsichtbar, bereiten sich die Artisten vor. Damit sie sich später nicht verletzen, fangen sie an, ihre Muskulatur aufzuwärmen.

Tatjana beobachtet den Gewichtheber, der so schnell wie möglich auf der Stelle läuft. (laufen auf der Stelle) Dann streckt er sich und dehnt seine Arme und Beine. (strecken und dehnen) Der Gewichtheber hebt ein paar leichtere Gewichte. (Stemmbewegung nach oben und explosiv stimmlos auf „hu“ ausatmen) Später, in der Vorstellung, wird er einen ganzen Elefanten hoch heben. Tatjana staunt jedes Mal, wie er das schafft. Sie wollte den Elefanten auch schon einmal hoch heben, aber sie konnte ihn keinen Millimeter bewegen.

Direkt vor dem Beginn der Vorstellung gibt es ein Ritual: Alle Künstler versammeln sich und stellen sich im Kreis auf. Dann atmen sie fünf Mal gemeinsam ein und aus, um ruhiger zu werden und die Aufregung zu vergessen. (tief ein und ausatmen mit Händen auf dem Bauch) Danach wünschen sie sich „toi, toi, toi“. Das ist ein ganz altes Ritual, um sich Glück zu wünschen.

Schnell nehmen alle ihre Plätze für die Zirkusvorstellung ein. Tatjana sitzt draußen vor dem Zirkuszelt. Wenn sie die große, schwere Plane des Zeltes ein Stück zur Seite zieht, kann sie sehen, was drinnen passiert. Als Erstes treten die Seilartisten auf. Sie hängen hoch oben in der Luft und schwingen von einer Seite zur anderen. (mit einem Finger die Pendelbewegung zeigen und mit kleinen Glissandi auf einem stimmhaften „s“ nachvollziehen). Dann lässt einer das Seil los – das ganze Zelt hält den Atem an – macht einen Salto und wird von dem anderen Artisten aufgefangen. (ebenso Salto zeigen und singen) Jetzt ist Tatjanas Mutter dran. Unter tobendem Applaus betritt sie das Zelt und wird am Seil hoch in die Luft gezogen. Sie beginnt langsam zu schwingen, dann immer stärker. Am höchsten Punkt lässt sie das Seil los und macht einen dreifachen Salto. (ebenso dreifacher Salto) Das Publikum tobt. Tatjana lächelt stolz. Ihre Mutter ist wirklich die beste Akrobatin des ganzen Zirkus.

Plötzlich erklingt laute Musik. Tatjanas Vater bringt den Elefanten herein und zeigt ihm an, dass er in der Mitte der großen Manege stehen bleiben soll. Gleich darauf kommt der Gewichtheber herein, in einer Hand eine große Hantel lässig nach oben gestreckt. Er legt die Hantel ab, stellt sich unter den Elefanten und hebt diesen ganz langsam in die Höhe.

Den nächsten Auftritt haben die Seiltänzer. Flink steigen sie die Leiter hinauf zu dem straff gespannten Seil. (auf Silbe „dub“ eine Dur-Tonleiter im Fünftonraum aufwärts singen, Bewegung mit Fingern auf dem Bild oder in der Luft zeigen) Dann balancieren sie vorsichtig darüber. (auf Silbe „la“ einen möglichst langen Ton einer vorgegebenen Tonhöhe) Einer springt auf dem Seil in die Höhe. Ein anderer kann sich auf das Seil setzen. Plötzlich hört man ein lautes „ratsch“. Einer der Seiltänzer hat das Seil verfehlt und purzelt runter auf den Boden. (kleinen Sprung in das balancieren auf „la“ einbauen, „ratsch“, Glissando auf „blblblbl“ für das purzeln) Alle im Zelt halten erschrocken die Luft an. (schreckhaft einatmen, kurz die Luft anhalten und dann entspannt wieder ausatmen) Doch zum Glück liegt unten eine dicke, weiche Matte und der Seiltänzer steht sofort unverletzt wieder auf.

Noch während das Seil abgebaut wird, spaziert der Clown herein. Er hat riesige Füße und man hört seine tollpatschigen Schritte auf dem Boden. (in ungleichmäßigen Schritten auf der Stelle laufen und stolpern und sich selbst stimmlich auf der Silbe „dm“ in verschiedenen Tonhöhen begleiten) Der Clown wirft bunte Bälle in die Luft. Ein paar davon kann er fangen, doch viele fallen auch auf den Boden, weil er über seine eigenen Füße stolpert. (eine Wurfbewegung machen und den imaginären Ball durch stimmliche Glissandi begleiten) Den letzten Ball wirft er ganz besonders hoch (besonders umfassendes Glissando singen.) – und dann fällt er „platsch“ auf die große rote Nase des Clowns. Alle im Publikum lachen herzhaft.

Tatjana weiß, wer nun kommt: Die Stimmakrobaten. Die singen immer tolle Lieder und können mit ihren Stimmen ganze Geschichten erzählen. Sie machen jeden Klang mit ihrer Stimme und tanzen auch dazu. Die Stimmakrobaten gibt es nur in ihrem Zirkus und sie sind eine Sensation. Was sie wohl heute zeigen?…

(Hier kann man mit weiteren Stimmexperimenten anschließen. Passend dazu kann es auch mit dem Lied „Der Stimmakrobat“ von Uli Führe weitergehen. Oder es kommen weitere Auftritte von Akrobaten.)

Oberkapitel: Themen für Kunst